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Drogen- und Suchtpolitik Paritätische Bremen fordert Cannabis-Legalisierung

Legal Cannabis kaufen und konsumieren: Dies fordert der Paritätische Bremen. Der Wohlfahrtsverband möchte, dass die Landesregierung in Bremen neue Wege in der Drogen- und Suchtpolitik geht.
07.10.2019, 15:16 Uhr
Lesedauer: 3 Min
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Paritätische Bremen fordert Cannabis-Legalisierung
Von Carolin Henkenberens

Der Paritätische Bremen fordert eine Neuausrichtung der Drogen- und Suchtpolitik in Bremen. Der Spitzenverband der Wohlfahrtspflege will, dass legaler Konsum und kontrollierter Verkauf von Cannabis möglich werden. Ebenso plädiert der Verband in einem am Montag veröffentlichten Positionspapier für einen Drogenkonsumraum in Bremen, mehr Hilfen für Suchtkranke, bessere Prävention und weniger Strafverfolgung.

„Die Substanz Cannabis verursacht einen deutlich geringeren Schaden als der gesellschaftliche Umgang damit“, sagte Regine Geraedts, die stellvertretende Vorsitzende des Verbandsrates des Paritätischen Bremen, am Montag. Der ganze Apparat der Strafverfolgung verursache hohe Kosten und binde viele Ressourcen, die besser in wichtige sozialstaatliche Aufgaben investiert werden sollten. Der Konsum von Cannabis sei verbreitet in der Gesellschaft, es gebe eine „verschwiegene Akzeptanz“. Zudem stufe die Weltgesundheitsorganisation die Substanz nicht mehr als gefährliche Droge ein. „Trotzdem wird Cannabis genauso kriminalisiert in Deutschland wie harte Drogen“, kritisierte Geraedts.

Cannabis soll legal gekauft und angebaut werden

Der Paritätische spricht sich dafür aus, dass Cannabis in Bremen zum Eigengebrauch legal gekauft und angebaut werden kann. Das bei der Strafverfolgung eingesparte Geld solle in die Jugendarbeit und Prävention gesteckt werden. Auch solle der Führerschein nicht allein auf der Grundlage von Cannabisfunden eingezogen werden, heißt es im Positionspapier des Verbands. Und die Landesregierung solle sich im Bundesrat für eine bundesweite Freigabe von Cannabis einsetzen.

Derzeit erlauben weltweit nur zwei Länder den kontrollierten Verkauf und Freizeitkonsum von Cannabis: Uruguay und Kanada. Luxemburg bereitet einen staatlich regulierten Anbau, Verkauf und Konsum vor. In Uruguay werde Cannabis in Apotheken verkauft, berichtete Hermann Schulte-Sasse, der Vorsitzende des Verbandsrates des Paritätischen Bremen und frühere Gesundheitssenator. Denkbar sei auch, Lizenzen für den Verkauf zu vergeben wie bei der Schanklizenz für Alkohol.

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Wie der Cannabisverkauf konkret ablaufen soll, dazu hat der Verband keine Forderung. Dies sei keine Grundsatzfrage, vielmehr müsse erst einmal eine Debatte angestoßen werden. „Wir brauchen einen breiten gesellschaftlichen Konsens“, betonte Schulte-Sasse. Klar sei aber, sagte Wolfgang Luz, Vorstand des Paritätischen Bremen, dass Cannabis nur an Erwachsene abgegeben werden dürfe.

Hochgradig gefährliche und schnell abhängig machende Substanzen sollen dem Verband zufolge verboten bleiben. Aber auch in diesem Bereich wünscht sich der Paritätische eine Wende. „Verfolgt werden muss der Handel, die mafiösen Strukturen, nicht der Konsument, der Kranke“, unterstrich Schulte-Sasse.

„Leute, die von illegalen Drogen abhängig sind, sind erst mal Erkrankte“, sagte Regine Geraedts. Kranke bräuchten Gesundheitsversorgung und soziale Hilfen, keine Strafverfolgung. Dies habe eine „Verelendungsspirale“ zur Folge. Der Senat solle sich daher im Bundesrat für eine Entkriminalisierung der Konsumierenden einsetzen.

Mehr Präventionsangebote gefordert

Weitere Forderungen sind auch ein Drogenkonsumraum für Abhängige von harten Drogen in Bremen und der Einsatz von reinem Heroin (Diamorphin) in der Substitutionstherapie. Diamorphin soll Studien zufolge Methadon überlegen sein. Auch müsse es mehr Präventionsangebote geben. Das Ziel der absoluten Abstinenz von Drogen sei überholt, es habe nie eine komplett drogenfreie Gesellschaft gegeben. Es gehe daher auch darum, den Konsum zu reduzieren und Gesundheitsrisiken zu verringern. Der Verband kritisierte ebenso, dass die Gelder für die Drogenhilfe in Bremen stagnierten. Die öffentliche Förderung müsse deutlich angehoben werden.

Viele Forderungen des Paritätischen sind bereits im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und Linken enthalten. Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) will zum Beispiel einen Drogenkonsumraum einrichten, wie sie Ende August bei der Präsentation einer Machbarkeitsstudie bekräftigte. Zur Freigabe von Cannabis heißt es im Koalitionsvertrag: „Wir werden alle Möglichkeiten ausschöpfen, um ein wissenschaftliches Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis auf den Weg zu bringen“. Auch eine Therapie mit Diamorphin soll möglich werden.

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Doch auf den Koalitionsvertrag verlässt sich der Spitzenverband nicht. „Es braucht einen Anschub“, sagte Geraedts. Schon in der vergangenen Legislaturperiode hatte Rot-Grün ein Modellprojekt zur Cannabis-Freigabe geplant. Letztlich scheiterte das Vorhaben. „Wir haben die Hoffnung, dass es dieses Mal umgesetzt wird“, sagte Vorstand Wolfgang Luz. „Wir haben mit Freude den Koalitionsvertrag gelesen. Wir fordern aber auch, dass er umgesetzt wird.“

Der Paritätische ist ein Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege mit mehr als 200 Mitgliedsorganisationen in Bremen. Mit seinem Positionspapier zur Drogen- und Suchtpolitik will er eigenen Angaben zufolge eine Debatte über ein Thema anstoßen, das wichtig für die Zukunft Bremens sei.

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